UK Geschlechterlohnlücke: Unterschätzt und weit über EU-Durchschnitt

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By Felix Neumann

Das Vereinigte Königreich kämpft weiterhin mit einer hartnäckigen geschlechtsspezifischen Lohnlücke, einer systemischen wirtschaftlichen Ungleichheit, die nachweislich die Durchschnittswerte der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übersteigt. Erschwerend kommt hinzu, dass jüngste wissenschaftliche Untersuchungen darauf hindeuten, dass offizielle Schätzungen das wahre Ausmaß dieser Kluft möglicherweise durchweg unterschätzen, was eine Neubewertung der aktuellen Messmethoden erforderlich macht und die Komplexität bei der Erreichung wirtschaftlicher Gerechtigkeit unterstreicht.

  • Offizielle ONS-Daten (April 2024) weisen eine mediane stündliche geschlechtsspezifische Lohnlücke von 7,0 % für Vollzeitbeschäftigte und 13,1 % über alle Vertragsarten hinweg aus.
  • Jüngste akademische Forschung deutet darauf hin, dass die Lohnlücke im Vereinigten Königreich über zwei Jahrzehnte hinweg um etwa einen Prozentpunkt unterschätzt wurde, primär bedingt durch unzureichende Gewichtung von Arbeitsplätzen in kleinen Privatunternehmen.
  • Obwohl die ONS die Relevanz dieser Forschung anerkennt, bewertet sie die Gesamtauswirkungen auf die gemeldeten Zahlen als „gering“; doch ein Prozentpunkt Unterschied kann für Einzelpersonen einen jährlichen Fehlbetrag von rund 375 £ bedeuten.
  • Die größte Lücke zeigt sich in qualifizierten Handwerksberufen, während sie in Pflege- und Dienstleistungssektoren geringer ist. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen weiblich dominierten Rollen und niedrigeren Medianlöhnen.
  • Im internationalen Vergleich liegt die Lohnlücke des VK (13,3 %) deutlich über dem EU- (9,4 %) und OECD-Durchschnitt (11,3 %), was das VK unter die Länder mit den höchsten Lücken in Europa einreiht.

Die offizielle Perspektive der ONS

Die offiziellen Daten des Office for National Statistics (ONS) für April 2024 meldeten eine mediane stündliche geschlechtsspezifische Lohnlücke von 7,0 % für Vollzeitbeschäftigte, was bedeutet, dass Frauen für jede von Männern verdiente £1.000 nur £930 verdienten. Diese Zahl stellte einen leichten Rückgang von 7,5 % im Jahr 2023 dar. Interessanterweise verdienten teilzeitbeschäftigte Frauen geringfügig mehr als Männer, was zu einer Lücke von -3,0 % führte. Berücksichtigt man jedoch alle Vertragsarten, weitet sich die Disparität erheblich auf 13,1 % aus, was bedeutet, dass Frauen für jede von Männern verdiente £1.000 nur £869 verdienten.

Akademische Kritik und die Problematik der Messung

Dieses offizielle Narrativ wird nun durch jüngste akademische Forschung in Frage gestellt. Eine Studie unter der Leitung von Professor John Forth von City St Georges, University of London, und seinen Kollegen, die Ende August 2025 im British Journal of Industrial Relations veröffentlicht wurde, postuliert, dass die geschlechtsspezifische Lohnlücke des Vereinigten Königreichs in den letzten zwei Jahrzehnten durchweg um etwa einen Prozentpunkt unterschätzt wurde. Laut der Forschung resultiert diese Diskrepanz hauptsächlich aus dem Versäumnis der offiziellen Daten, Arbeitsplätze in kleinen, jungen Unternehmen des Privatsektors angemessen zu gewichten, was zu einem potenziell verzerrten nationalen Durchschnitt führt.

Die Reaktion der ONS und finanzielle Auswirkungen

Die ONS hat eingeräumt, dass solche Forschungen relevante Fragen zu den Methodologien der Umfragegewichtung aufwerfen. Während ein ONS-Sprecher angab, dass die Gesamtauswirkungen auf die gemeldete geschlechtsspezifische Lohnlücke „gering“ wären, hoben sie auch jüngste Verbesserungen ihrer Annual Survey of Hours and Earnings hervor. Für einen Arbeitnehmer mit einem medianen jährlichen Bruttoeinkommen von £37.430 im April 2024 entspricht jedoch ein Unterschied von einem Prozentpunkt in der Lohnlücke – von 13,1 % auf 14,1 % – einem zusätzlichen jährlichen Fehlbetrag von etwa £375. Dies unterstreicht die greifbaren finanziellen Auswirkungen selbst scheinbar geringfügiger statistischer Anpassungen für Einzelpersonen.

Berufsbezogene Ungleichheiten und strukturelle Faktoren

Eine Analyse der berufsbezogenen Ungleichheiten zeigt, dass die geschlechtsspezifische Lohnlücke in qualifizierten Handwerksberufen am ausgeprägtesten ist, während sie in den Bereichen Pflege, Freizeit und anderen Dienstleistungssektoren erheblich schrumpft. Entscheidend ist eine klare Korrelation zwischen Berufen mit einem höheren Anteil weiblicher Beschäftigter und niedrigeren medianen Stundenlöhnen. Viele überwiegend von Frauen besetzte Positionen liegen unter £20 pro Stunde, während höher bezahlte Positionen, oft über £30 pro Stunde, typischerweise einen geringeren Frauenanteil aufweisen, was auf systemische Ungleichgewichte sowohl in der Arbeitsverteilung als auch in der Vergütung in verschiedenen Branchen hinweist.

Internationale Vergleiche und die Position des Vereinigten Königreichs

Im internationalen Kontext liegt die geschlechtsspezifische Lohnlücke des Vereinigten Königreichs von 13,3 % (OECD-Daten für 2023) deutlich über dem EU-Durchschnitt von 9,4 % und dem OECD-Durchschnitt von 11,3 %. Dies platziert das Vereinigte Königreich mit der achthöchsten Lücke unter 31 europäischen Ländern. Unter den fünf größten Volkswirtschaften Europas ist die Lücke des Vereinigten Königreichs mehr als doppelt so groß wie die von Wirtschaftspartnern wie Frankreich (6,2 %) und Spanien (6,2 %) und erheblich höher als die Italiens (4,1 %), obwohl sie etwas niedriger ist als die Deutschlands (14,2 %). An den Extremen verzeichnet Estland die größte Lücke mit 24,7 %, während Luxemburg mit nur 0,4 % die geringste meldet.

Schlussfolgerung: Die Notwendigkeit präziser Messung und Transparenz

Die anhaltende Debatte um die präzise Messung der geschlechtsspezifischen Lohnlücke, gepaart mit anhaltenden internationalen Ungleichheiten, unterstreicht die kritische Notwendigkeit robuster Datenerhebung, rigoroser Analysemethoden und größerer Gehaltstransparenz, um diese tief verwurzelten wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten effektiv anzugehen.

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