Das empfindliche Gleichgewicht der transatlantischen Handelsbeziehungen gerät zunehmend unter Druck, da die Vereinigten Staaten eine potenzielle Eskalation ihrer Zollpolitik signalisieren, die sich insbesondere auf wichtige europäische Wirtschaftssektoren konzentriert. Während Automobilzölle bereits Auswirkungen auf europäische Exporte hatten, stellen jüngste Diskussionen über erhebliche Abgaben auf pharmazeutische Produkte eine ernsthafte Bedrohung dar und rücken Volkswirtschaften wie Deutschland und Irland an die Spitze potenzieller wirtschaftlicher Verwerfungen. Die Unsicherheit um diese Handelsverhandlungen hat in Europa eine Analyse möglicher makroökonomischer Folgen angestoßen, mit Auswirkungen auf BIP-Wachstum, Investitionen und Beschäftigung auf dem gesamten Kontinent.
- Die USA signalisieren eine potenzielle Verschärfung der Zollpolitik.
- Bestehende 25%-Zölle auf Automobilimporte und -teile belasten den europäischen Markt.
- Vorschläge für neue Zölle von bis zu 200% auf pharmazeutische Produkte werden diskutiert.
- Deutschland und Irland werden als besonders anfällige Volkswirtschaften identifiziert.
- Der Brüsseler Think Tank Bruegel prognostiziert eine mögliche Reduktion des EU-BIP um etwa 0,3%.
Wirtschaftliche Einschätzungen unterstreichen die signifikanten, wenn auch potenziell handhabbaren Auswirkungen auf die Wirtschaft der Europäischen Union. Der in Brüssel ansässige Think Tank Bruegel schätzt eine mögliche Reduzierung des EU-BIP um etwa 0,3%, abhängig vom Ausgang der laufenden Verhandlungen. Dies geschieht, während die Vereinigten Staaten im Jahr 2024 mit 20,6% aller EU-Warenexporte außerhalb des Blocks der größte Partner der EU für Warenexporte bleiben. Pharmazeutika machen dabei beträchtliche 15% dieser Exporte in die USA aus, dicht gefolgt vom Automobilsektor.
Automobilsektor unter anhaltendem Druck
Die Automobilindustrie hat bereits die direkten Auswirkungen der US-Handelspolitik zu spüren bekommen, nachdem im April ein Zoll von 25% auf Autoimporte und Autoteile eingeführt wurde. Deutschland, mit seinem robusten Kraftfahrzeugsektor, wurde sofort als das EU-Land identifiziert, das von diesen Maßnahmen am meisten zu verlieren hat. Fast ein Viertel (22,7%) der gesamten deutschen Exporte sind in die USA gerichtet, was die deutsche Wirtschaft besonders anfällig für solche Zölle macht. Analysten von Moody’s Ratings prognostizierten einen Rückgang des deutschen BIP-Wachstums in den folgenden Quartalen aufgrund dieser Zölle, während Bruegel einen langfristigen negativen Effekt von rund 0,4% des BIP für Deutschland bis 2025 schätzt, wobei Frankreich potenziell einen durchschnittlichen Effekt von 0,25% des BIP verzeichnen könnte.
Pharmazeutische Zölle: Eine neue Front
Die Aufmerksamkeit verlagert sich nun auf den Pharmasektor, wo Präsident Donald Trump öffentlich Vorschläge für Zölle von bis zu 200% diskutiert hat. Solche Maßnahmen könnten mehrere kleinere europäische Volkswirtschaften, die stark von Pharmaexporten abhängig sind, unverhältnismäßig stark beeinträchtigen. Irland, Dänemark und Belgien sind besonders anfällig. Mathieu Savary, Chefstratege von BCA Research, hebt Irlands extreme Exposition hervor und merkt an, dass Exporte in die USA 18% des irischen BIP ausmachen, wobei Pharmaexporte allein fast 55% der irischen Exporte darstellen. Bruegel prognostiziert, dass Irlands kumulierter realer BIP-Verlust bis 2028 3% erreichen könnte, und bezeichnet das Land auch als am anfälligsten hinsichtlich der Auswirkungen auf die Beschäftigung.
Die forschungsbasierte Pharmaindustrie ist ein Eckpfeiler der europäischen Wirtschaft, die laut PWC im Jahr 2022 311 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung (BWS) beisteuerte und 2,3 Millionen direkte und indirekte Arbeitsplätze unterstützte. Der US-Markt ist von entscheidender Bedeutung, da er im Jahr 2021 49,1% der weltweiten Pharmaverkäufe ausmachte, verglichen mit Europas 23,4%. Über ein Drittel aller EU-Pharmaexporte gehen in die Vereinigten Staaten, was die potenzielle Schwere jeder Zolleinführung in diesem Sektor unterstreicht.
Strategische Absicht hinter hohen Zollprojektionen
Trotz der hohen genannten Zollzahlen halten Experten einen Zoll von 200% auf pharmazeutische Produkte größtenteils für unwahrscheinlich, dass er vollständig umgesetzt wird. Mathieu Savary von BCA Research deutet an, dass ein solcher Schritt die Gesundheitskosten für US-Verbraucher drastisch erhöhen würde, ein politisch sensibles Thema. Stattdessen interpretiert er diese Aussagen als strategisches Manöver, um ausländische Pharmaunternehmen zu Preisnachlässen oder zur Ausweitung ihrer Produktionsstätten innerhalb der Vereinigten Staaten zu drängen. Dan Coatsworth, Investmentanalyst bei AJ Bell, stimmt dem zu und erklärt, dass der Druck nun auf den Pharmaunternehmen lastet, die US-Produktion zu erhöhen, um amerikanische Kunden direkt zu bedienen. Dies signalisiert eine mögliche Verschiebung hin zu Onshoring oder Nearshoring der Produktion, anstatt einfach höhere Importkosten zu akzeptieren.
Obwohl der unmittelbare makroökonomische Schlag für die EU-Wirtschaft möglicherweise überschaubar ist, könnte die langfristige Unsicherheit, die durch diese Zolldrohungen entsteht, Investitionen abschrecken und zu Arbeitsplatzverlusten im gesamten 27-Mitglieder-Block führen. Rory Fennessy, Senior Economist bei Oxford Economics, warnte, dass Zölle allein das gesamte EU-Handelsvolumen in den nächsten fünf Jahren um etwa 8% reduzieren könnten. Über Deutschland und Irland hinaus sind auch Länder wie Italien, Frankreich und die Niederlande aufgrund ihrer hohen Warenexporte in die USA erheblichen wirtschaftlichen Bedrohungen ausgesetzt. Die breiteren Auswirkungen erstrecken sich sogar auf Länder mit begrenzter direkter Exposition, da die globale Handelsschwäche und Unsicherheit sich über miteinander verbundene Lieferketten, insbesondere jene, die in größere Volkswirtschaften wie das deutsche Industrienetzwerk integriert sind, ausbreiten.

Kolumnistin für Geld, Menschen & Geschichten hinter den Zahlen
Nina findet, dass sich hinter jeder Zahl eine Geschichte verbirgt – manchmal tragisch, oft absurd, aber immer spannend. Sie schreibt mit Herz, Verstand und einem scharfen Blick für Details. Während andere nur den Chart sehen, fragt sie sich: Wer hat eigentlich diesen Kursanstieg ausgelöst – und warum? Übrigens: Sie hat ein Sparkonto seit sie 6 ist und gibt trotzdem zu viel für Bücher aus.