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2025-07-17 15:50 Lesezeit: 8 Min

US-Zölle: Drohender Handelskrieg gefährdet Europas Wirtschaft und Märkte.

Europas wirtschaftlicher Aufschwung steht an einem entscheidenden Wendepunkt, da die Aussicht auf erhebliche neue US-Zölle Monate des steigenden Anlegervertrauens und beträchtliche Marktgewinne zunichtezumachen droht. Die von Präsident Donald Trump vorgeschlagenen pauschalen 30-Prozent-Zölle auf Exporte der Europäischen Union, die für den 1. August geplant sind, haben die Befürchtungen eines transatlantischen Handelskrieges neu entfacht, was eine direkte Herausforderung für die vorsichtig optimistische Aussicht des Kontinents darstellt und potenziell starke Korrekturen bei europäischen Vermögenswerten auslösen könnte.

  • Die USA planen ab dem 1. August die Einführung pauschaler 30-Prozent-Zölle auf EU-Exporte.
  • Goldman Sachs prognostiziert bei voller Umsetzung einen kumulativen Rückgang des BIP der Eurozone um bis zu 1,2 % bis Ende 2026.
  • Die EU bereitet als Reaktion ein Paket von Ausgleichsmaßnahmen im Wert von 72 Milliarden Euro auf US-Importe vor.
  • Der Euro hat seit Jahresbeginn um über 11 % gegenüber dem US-Dollar aufgewertet.
  • Der EURO STOXX 600 legte um 10 % zu und übertraf damit den S&P 500 um vier Prozentpunkte.

Prognosen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen

Die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Zölle sind erheblich. Analysten von Goldman Sachs prognostizieren, dass eine vollständige Umsetzung des 30-Prozent-Zollpakets den effektiven US-Zollsatz auf EU-Waren auf 26 Prozentpunkte anheben würde, ein starker Anstieg gegenüber den derzeitigen 8,5 Prozent. Dieses Szenario könnte bis Ende 2026 zu einem kumulativen Rückgang des BIP der Eurozone um 1,2 Prozent führen. Selbst unter einem konservativeren Basisszenario, das ein Verhandlungsergebnis mit sektorspezifischen Zöllen und neuen Abgaben auf wichtige Güter wie Pharmazeutika und Luftfahrtkomponenten vorsieht, könnte die Eurozone immer noch einen BIP-Rückgang von 0,6 Prozent verzeichnen. Sven Jari Stehn, Chefökonom für Europa bei Goldman Sachs, weist darauf hin, dass ein Großteil der jüngsten Stärke in der europäischen Fertigungsindustrie „Vorauskauf“-Aktivitäten im Vorfeld dieser potenziellen Zölle widerspiegelt. In Verbindung mit der anhaltenden Aufwertung des Euro erwartet Stehn ein begrenztes Wachstum in der zweiten Jahreshälfte und warnt weiter, dass die wahrscheinlich schrittweise Reaktion der EU auf einen umfassenden Zoll das Risiko einer anhaltenden Handelseskalation erhöhen könnte.

Strategische Zurückhaltung und Vorbereitung der EU

Trotz der erheblichen wirtschaftlichen Risiken hat Brüssel einen besonnenen Ansatz gewählt und bestätigt, dass es keine unmittelbare Absicht gibt, Gegenmaßnahmen vor der Frist am 1. August zu ergreifen. Die Vorbereitungen für potenzielle Vergeltungsmaßnahmen sind jedoch aktiv im Gange. Maroš Šefčovič, der Handelsbeauftragte der EU, betonte, dass 30-Prozent-Zölle transatlantische Verkäufe „nahezu unmöglich“ machen würden, und bestätigte, dass der Block ein neues Paket von Ausgleichsmaßnahmen im Wert von 72 Milliarden Euro an US-Importen ausgearbeitet hat. Diese neuen Maßnahmen würden die bestehenden Ausgleichszölle auf Stahl und Aluminium ergänzen. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz unterstrich die derzeitige Zurückhaltung der EU, bekräftigte aber gleichzeitig die Bereitschaft des Blocks zu reagieren, und erklärte, dass das oberste Ziel eine rasche Lösung der Handelsspannungen bleibe.

Marktpositionierung unter Bedrohung

Die Zollbedrohung trifft auf eine Phase ausgeprägter bullischer Stimmung an den europäischen Märkten. Der Euro hat eine bemerkenswerte Stärke gezeigt und gegenüber dem US-Dollar im bisherigen Jahresverlauf um über 11 % aufgewertet, was seine stärkste Performance im ersten Halbjahr seit Einführung der Währung markiert. Ähnlich verzeichnete der EURO STOXX 600 einen Zuwachs von 10 % und übertraf damit den S&P 500 um vier Prozentpunkte. Die jüngste Umfrage der Bank of America unter europäischen Fondsmanagern im Juli zeigte einen überwältigenden Anlegeroptimismus, wobei netto 44 % ein stärkeres Wachstum der Eurozone in den nächsten 12 Monaten erwarteten, was größtenteils auf Deutschlands wegweisendes 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturprogramm und umfassendere fiskalische Lockerungen zurückzuführen ist. Das Engagement der Anleger in Eurozonen-Aktien hat einen Vierjahreshöchststand erreicht, wobei netto 41 % der Fondsmanager nun übergewichtet sind, ein starker Anstieg von nur 1 % im Januar. Der Euro selbst ist stark überkauft, was eine Netto-Übergewichtung von 20 % widerspiegelt – den höchsten Stand seit Januar 2005 – nach der schnellsten Positionierungskehrtwende innerhalb von sechs Monaten, die je verzeichnet wurde. Diese bullische Verschiebung spiegelt die vorherrschende Überzeugung wider, dass sich die europäischen makroökonomischen Fundamentaldaten von den politischen Gegenwinden der USA abkoppeln können, wobei eine signifikante Mehrheit der Befragten die fiskalische Expansion als robust genug ansieht, um den Block vor potenziellen Turbulenzen zu schützen. Diese optimistische Positionierung sieht sich jedoch nun dem beträchtlichen Risiko einer raschen Umkehr gegenüber, sollten die vorgeschlagenen Zölle umgesetzt werden, was potenziell zu einer starken Verschlechterung der Stimmung, der Gewinnaussichten und der Wachstumsdynamik in der gesamten Eurozone führen könnte.

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Deutschland

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