Der jüngste Gipfel zwischen der Europäischen Union und China markierte einen entscheidenden Wendepunkt in ihren komplexen Beziehungen, da die europäischen Staats- und Regierungschefs inmitten wachsender globaler Unsicherheiten eine Neuausrichtung der Handelsdynamik forderten. Angesichts der Aussage von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass ein „Wendepunkt“ erreicht sei, an dem die Beziehungen „gegenseitig vorteilhaft“ sein müssen, um nachhaltig zu sein, zielten die hochrangigen Gespräche darauf ab, tief verwurzelte wirtschaftliche Ungleichheiten und geopolitische Divergenzen anzugehen, insbesondere Europas erhebliches Handelsdefizit mit Peking.
- Die EU verzeichnete im vergangenen Jahr ein Handelsdefizit von rund 300 Milliarden Euro mit China.
- Die EU verhängte Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge; China reagierte mit Ermittlungen gegen europäische Agrarprodukte.
- Europäische Staats- und Regierungschefs forderten China auf, seinen Einfluss zur Deeskalation des Konflikts in der Ukraine zu nutzen.
- Die EU verschärfte Sanktionen gegen chinesische Unternehmen und Banken wegen mutmaßlicher Verbindungen zur russischen Kriegsindustrie.
- Die USA beeinflussen die EU-China-Beziehungen, wobei Europa Vorsicht walten lässt, um Washington nicht zu verärgern.
- Die EU diversifiziert strategisch ihre internationalen Partnerschaften über Peking und Washington hinaus.
Wirtschaftliche Ungleichgewichte und Handelspolitik
Im Zentrum der bilateralen Reibungen liegt ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht. Der aus 27 Staaten bestehende EU-Block verzeichnete im vergangenen Jahr ein Handelsdefizit mit China von rund 300 Milliarden Euro. Dies spiegelt eine starke Abhängigkeit von China bei kritischen Mineralien wider, die für verschiedene Industrien, einschließlich Magneten für die Automobil- und Gerätefertigung, unerlässlich sind. Diese Abhängigkeit wurde besonders deutlich, als China nach US-Zöllen die Mineralexporte drosselte, was europäische Automobilhersteller empfindlich traf.
Als Reaktion darauf hat die EU Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge eingeführt, um Pekings hohe Autosubventionen auszugleichen und ihren eigenen aufstrebenden Grüntechnologiesektor zu schützen. Diese Maßnahme ist von entscheidender Bedeutung, da Bedenken bestehen, dass ein schnelles Wachstum des chinesischen Marktanteils die Fähigkeit der EU, eigene grüne Technologien zu produzieren, gefährden und die Arbeitsplätze von 2,5 Millionen Beschäftigten in der Automobilindustrie sowie weiterer 10,3 Millionen Menschen, deren Beschäftigung indirekt von der E-Fahrzeugproduktion abhängt, beeinträchtigen könnte. China wiederum hat Ermittlungen gegen europäische Schweinefleisch- und Milchprodukte eingeleitet und Zölle auf französischen Cognac verhängt, was auf umfassendere Handelsspannungen und Kritik an neuen EU-Vorschriften für den Verkauf medizinischer Geräte hinweist.
Geopolitische Spannungen und globale Herausforderungen
Jenseits des Handels werfen geopolitische Fragen einen langen Schatten auf den Gipfel. Europäische Staats- und Regierungschef:innen, darunter auch der Präsident des Europäischen Rates, António Costa, wiederholten ihre langjährige Forderung an China, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um den Konflikt in der Ukraine zu deeskalieren. Dieser Appell erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die EU ihre Sanktionen gegen Russland verschärft hat, einschließlich der Listung chinesischer Firmen und zweier großer Banken wegen ihrer mutmaßlichen Verbindungen zur russischen Kriegsindustrie – ein Schritt, den das chinesische Handelsministerium entschieden abgelehnt hat.
Darüber hinaus wurde erwartet, dass Bedenken hinsichtlich chinesischer Cyberangriffe, Spionage, Beschränkungen von Exporten seltener Erden und Menschenrechtsverletzungen in Regionen wie Tibet, Hongkong und Xinjiang zur Sprache kommen würden, was den Dialog zusätzlich erschwert.
Der Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Beziehungen
Die komplexen Dynamiken der EU-China-Beziehungen werden auch maßgeblich von den Vereinigten Staaten beeinflusst. Analysten beobachten, dass Europa Vorsicht walten lässt, um die USA unter Präsident Donald Trump nicht weiter zu verärgern, indem es sich zu eng mit China verbündet. Diese sorgfältige Abstimmung ist teilweise darauf zurückzuführen, dass Peking das Gefühl hat, die US-Zölle erfolgreich überstanden zu haben, was zu einer selbstbewussteren Haltung bei Verhandlungen mit anderen westlichen Mächten führte. Wie Noah Barkin von der Rhodium Group feststellte, haben Chinas aggressivere Taktiken, die als wirksam gegen Washington wahrgenommen wurden, seine Bereitschaft zu Zugeständnissen gegenüber der EU verringert, insbesondere nach dem wahrgenommenen Einlenken von Präsident Trump an bestimmten Handelsfronten.
Europas Strategie der Diversifizierung
Um sich in dieser komplexen globalen Landschaft zurechtzufinden, diversifiziert die EU strategisch ihre internationalen Engagements. Obwohl China der zweitgrößte Handelspartner der EU bleibt, sucht der Block aktiv neue Allianzen jenseits von Peking und Washington. Dies umfasst das Schmieden von Handelsabkommen mit Nationen wie Indonesien, die Stärkung der Beziehungen zu Japan und das Entwerfen von Handelsabkommen mit südamerikanischen Ländern und Mexiko. Wie Präsidentin von der Leyen während eines kürzlichen EU-Japan-Gipfels betonte, sind solche Partnerschaften in einer Welt, in der „protektionistische Instinkte wachsen, Schwächen instrumentalisiert und Abhängigkeiten ausgenutzt werden“, entscheidend, da sie gleichgesinnten Partnern ermöglichen, die Stabilität und Chancen des jeweils anderen zu stärken.

Kolumnistin für Geld, Menschen & Geschichten hinter den Zahlen
Nina findet, dass sich hinter jeder Zahl eine Geschichte verbirgt – manchmal tragisch, oft absurd, aber immer spannend. Sie schreibt mit Herz, Verstand und einem scharfen Blick für Details. Während andere nur den Chart sehen, fragt sie sich: Wer hat eigentlich diesen Kursanstieg ausgelöst – und warum? Übrigens: Sie hat ein Sparkonto seit sie 6 ist und gibt trotzdem zu viel für Bücher aus.