Die Raffinerien an der US-Golfküste vollziehen eine bedeutende strategische Neuausrichtung ihrer Rohölbeschaffung. Zunehmend wenden sie sich dem Nahen Osten und alternativen südamerikanischen Produzenten zu, um die reduzierten Lieferungen aus Venezuela und Mexiko auszugleichen. Dieser Wandel unterstreicht das komplexe Zusammenspiel von geopolitischen Sanktionen, Produktionsherausforderungen und den spezifischen Anforderungen an die Rohölverarbeitung eines wichtigen Raffineriezentrums, was eine Neukalibrierung etablierter Handelsrouten auf dem globalen Energiemarkt erzwingt.
- Die Raffinerien an der US-Golfküste verlagern ihre Rohölbeschaffung weg von Venezuela und Mexiko hin zu Südamerika und dem Nahen Osten.
- Die US-Regierung hat im März entscheidende Lizenzen für den venezolanischen Ölexport widerrufen, was die Importe aus Venezuela stark reduzierte.
- Mexikos schwere Rohölsorte Maya erreichte im Juli mit 172.000 Barrel pro Tag ein Rekordtief bei den US-Importen aufgrund von Produktions- und Qualitätsproblemen.
- Die Importe aus Kolumbien verdoppelten sich im Juli auf 225.000 Barrel pro Tag, während Lieferungen aus Guyana und Brasilien ebenfalls deutlich zunahmen.
- Rohölimporte aus dem Nahen Osten, insbesondere aus dem Irak, Kuwait und Saudi-Arabien, stiegen im Juli auf 212.000 Barrel pro Tag an.
- Die Neuausrichtung ist notwendig, da die Raffinerien an der Golfküste primär auf die Verarbeitung schwerer, schwefelreicher Rohölsorten ausgelegt sind, die in den USA kaum gefördert werden.
Die Gründe für die Neuausrichtung
Die Umstellung der Lieferketten ist primär eine direkte Folge anhaltender Engpässe bei den mittleren und schweren Rohölsorten, die für den Betrieb an der Golfküste unerlässlich sind. Die rigorose Druckstrategie Washingtons auf Venezuelas Energiesektor, gepaart mit den anhaltenden Produktions- und Qualitätsproblemen, die mexikanische Rohölexporte beeinträchtigen, hat ein erhebliches Versorgungsdefizit geschaffen, das die Raffinerien aktiv zu mindern versuchen.
Venezuelas Rolle und Sanktionen
Im März entzog das US-Finanzministerium wichtige Lizenzen, die es zuvor bestimmten Unternehmen erlaubten, venezolanisches Öl und Treibstoff in die USA zu exportieren. Diese Entscheidung folgte der Kritik von Präsident Donald Trump an Venezuelas Bilanz in Bezug auf Migration und Demokratie. Bevor diese Lizenzen widerrufen wurden, machte venezolanisches Rohöl durchschnittlich etwa 16 % der Ölimporte an der Golfküste aus, was jährlich rund 175.000 Barrel pro Tag (bpd) entsprach. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Regierung neue, wenn auch begrenzte Genehmigungen an Partner des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns PDVSA erteilen könnte, möglicherweise auch im Rahmen von Öl-gegen-Produkte-Tauschgeschäften.
Mexikanische Produktionsengpässe
Gleichzeitig haben die Importe der schweren mexikanischen Rohölsorte Maya einen merklichen Rückgang erlebt und im Juli mit 172.000 bpd ein Rekordtief erreicht. Dies ist auf sinkende Förderquoten und Qualitätsprobleme zurückzuführen, die das Marktinteresse gedämpft haben. Diese doppelte Herausforderung durch zwei traditionelle Lieferanten hat die Raffinerien an der Golfküste gezwungen, diversifiziertere Bezugsquellen zu suchen.
Neue Lieferquellen: Südamerika und der Nahe Osten
Um diese Lücken zu füllen, haben die US-Raffinerien ihre Importe aus anderen südamerikanischen Nationen erheblich gesteigert.
Südamerika als aufstrebender Lieferant
Lieferungen aus Kolumbien, darunter schwere, schwefelreiche Sorten wie Castilla und Vasconia, haben sich im Juli auf 225.000 bpd mehr als verdoppelt und markierten damit ein Dreijahreshoch. Die Importe von mittleren, schwefelärmeren Rohölen aus Guyana, wie Unity Gold und Payara Gold, erreichten etwa 95.000 bpd. Auch Brasilien verzeichnete eine erhöhte Nachfrage nach seinem schweren, schwefelreichen Öl, wobei die Peregrino-Importe im gleichen Zeitraum auf 57.000 bpd anstiegen und zu den höchsten südamerikanischen Gesamtimportmengen seit über fünf Jahren beitrugen.
Der Nahe Osten als kritische Alternative
Jenseits Amerikas hat sich der Nahe Osten als entscheidende Alternative etabliert. Die Importe von Öl aus dieser Region an die Golfküste, überwiegend irakisches Qaiyarah, Kuwaits Eocene und Saudi-Arabiens mittelsaures Arab Light, stiegen im Juli stark auf 212.000 bpd an. Dies stellt das höchste monatliche Volumen seit Januar dar und unterstreicht die Notwendigkeit für Raffinerien, geeignetes Rohöl aus weiter entfernten Regionen zu beziehen.
Betriebliche Notwendigkeiten als treibende Kraft
Der strategische Wandel ist fundamental durch die betrieblichen Anforderungen der US-Raffinerien an der Golfküste getrieben, die weitgehend auf die Verarbeitung schwererer, schwefelreicherer Rohölsorten ausgelegt sind. Der Großteil der heimischen US-Ölproduktion ist leicht und schwefelarm, was sie für diese Anlagen weniger ideal macht. Folglich bleibt eine stetige Versorgung mit spezifischen Rohölsorten aus diversen internationalen Quellen für die Rentabilität und die operative Kontinuität der Raffineriekapazitäten der Region von entscheidender Bedeutung.

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